Neues Urteil zur Kassenführung bei Dienstleistern mit „offener Ladenkasse“

Einzelaufzeichnungspflicht bei Bareinnahmen

Steuerpflichtige müssen ihre Bareinnahmen grundsätzlich einzeln aufzeichnen. Dies erfordert Angaben zu Datum, Leistungsbeschreibung, Steuersatz und Bruttobetrag zu jeder einzelnen Einnahme (z.B. mittels Registrierkasse). Ggf. sind darüber hinaus auch Aufzeichnungen zu Name und Adresse des Kunden notwendig. Diese „Einzelaufzeichnungspflicht“ wurde in der Vergangenheit aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung bzw. aus umsatzsteuerlichen Vorgaben hergeleitet. Seit 29.12.2016 – also faktisch ab dem Jahr 2017 – ist sie nunmehr gesetzlich normiert.

Ausnahmen von der Einzelaufzeichnungspflicht

Allerdings waren schon bisher Steuerpflichtige, denen die Einzelaufzeichnung im Rahmen ihres Betriebs nicht zumutbar war, von der Einzelaufzeichnungspflicht befreit. Diese Befreiung ging auf ein Urteil des BFH vom 12.05.1966 zurück. Das Gericht kam damals zu dem Ergebnis, dass Betriebe, in denen Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter Personen verkauft werden, aus Zumutbarkeitsgründen die baren Betriebseinnahmen in der Regel nicht einzeln aufzuzeichnen haben. Mit der o.g. gesetzlichen Normierung der Einzelaufzeichnungspflicht Ende 2016 einhergehend wurde auch die vom BFH entwickelte Ausnahmeregelung nahezu wortwörtlich ins Gesetz mitaufgenommen („…Verkauf von Waren…“).
Von der Einzelaufzeichnungspflicht befreite Steuerpflichtige durften (und dürfen auch weiterhin) ihre Tageseinnahmen in einer Summe mittels Tageskassenbericht ermitteln (sog. „offene Ladenkasse“).

Befreiung auf Verkauf von Waren beschränkt?

In den letzten Jahren wurde die vom BFH aufgestellte Ausnahmeregelung seitens der Finanzverwaltung – schon für die Fälle vor 2017 – zunehmend streng ausgelegt. Da dort nur vom Verkauf von Waren die Rede sei, sollte bei der Erbringung von Dienstleistungen stets die Einzelaufzeichnungspflicht anzuwenden sein. Auf die Zumutbarkeit sollte es in diesen Fällen somit gar nicht ankommen. Betroffen von diesem Rechtsverständnis waren neben Friseuren, Nagel- bzw. Kosmetikstudios, Ärzten, Physiotherapeuten etc. auch viele Restaurationsbetriebe (Gaststätten, Cafés, …).

Entscheidung des BFH zur alten Rechtslage

Der BFH ist nunmehr der engen Auffassung der Finanzverwaltung entgegengetreten. Ausdrücklich weist dieser in einem aktuellen Beschluss bezüglich eines Gastwirts darauf hin, dass die Ausnahmeregelung, wonach Einzelaufzeichnungen der Erlöse in bestimmten Fällen aus Zumutbarkeitsgründen nicht geführt werden müssen, nicht auf Einzelhändler beschränkt ist, sondern auch für Klein-Dienstleister gilt.

Auswirkungen auf aktuelle Rechtslage seit 2017?

Der o.g. BFH-Beschluss erging zur alten Rechtslage vor dem 29.12.2016. Hieraus lassen sich daher nur bedingt Rückschlüsse auf die aktuelle Rechtslage ziehen. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung für die aktuelle Rechtslage an ihrer engen Auslegung der Ausnahmebestimmung festhält.
Im Hinblick auf das Risiko, das mit der Verwerfung der Kassenführung im Rahmen einer Betriebsprüfung einhergeht, sollten sich Betroffene (= Dienstleister mit „offener Ladenkasse“) – soweit nicht ohnehin schon geschehen – mit den erhöhten Anforderungen auseinandersetzen und die Möglichkeit von Einzelaufzeichnungen prüfen.